Alpenüberquerung Etappe 4 – Zur Stamser Alm

Das gute Wetter des Vortages sollte nicht lange halten. Tag vier bringt wieder Nebel und eine ausgesprochen schlechte Wettervorhersage für den Nachmittag: Gewitter. Wir hoffen, dass wir unser Tagesziel, die Stamser Alm, noch vor diesem Gewitter erreichen. Etwas enttäuscht über den schnellen Wetterumschwung starten wir nach Untermieming. Wir laufen an der Straße entlang und durch dieses nette kleine Örtchen durch. Eine halbe Stunde später erreichen wir den Inn. Hier müssen wir gut 200 Höhenmeter vom Mieminger Plateau ins Inntal absteigen. In Serpentinen führt uns der Weg hinunter zum Fluss. Eine Hängebrücke für Fußgänger und Radfahrer quert den Inn.

INFO Etappe 4

Weg: Mieming bis Stamser Alm

Höhenmeter: 220 hm runter, 1200 hm hoch

Länge: 15,5 km

Dauer: 4:30 h

Popularität: Wenig begangener Wanderweg

Technik: Einfache Wanderung auf Straßen und Forstwegen

Unter der Autobahn hindurch führt uns der Weg durch ein kleines Gewerbegebiet nach Stams, einer kleinen Gemeinde mit großem Kloster (Stift Stams). Danach wird der Weg ziemlich öde. Ich behaupte mal, dieser Weg hat gar das Potenzial zur langweiligsten Etappe unserer gesamten Alpenüberquerung gekürt zu werden. Der Tag war dann am Ende doch noch ganz unterhaltsam, aber dazu weiter unten mehr, in der Kategorie Begegnungen der etwas anderen Art. Zurück zum Weg zur Stamser Alm: Auf einem Forstweg geht es in weiten Serpentinen den Berg hinauf. Uns begegnen auf diesem Weg tatsächlich mehr Autos als Wanderer. Genau genommen begegnen wir auf dem Weg gar keinen anderen Wanderern an diesem Tag.

Stift Stams
Stift Stams

Glück gehabt!

Auf gut zwei Dritteln der Strecke zur Stamser Alm machen wir eine kurze Pause an einem Hochsitz. Der ist zwar nicht „hoch“, wir haben aber trotzdem eine hervorragende Aussicht auf die umliegenden Berge. Als Snack essen wir die Reste der Pizza vom Vortag, die wir nicht geschafft hatten. Da wissen wir noch nicht, dass das unsere Hauptmahlzeit an diesem Tag sein wird, denn Abendessen gibt es auf der Hütte nicht.

Wanderweg mit Panoramablick

Etwa eine dreiviertel Stunde vor Ankunft an der Stamser Alm fängt das Donnern an. Das für den Nachmittag angesagte Gewitter kommt näher. Wir beschleunigen unsere Schritte und hoffen es rechtzeitig bis zur Alm zu schaffen. Dichte Wolken ziehen vom Tal hoch. Schon von weitem ist die Stamser Alm an der daneben liegenden Kirche zu erkennen. Endlich da. Rechtzeitig vor dem Gewitter. Etwa zehn Minuten nach unserer Ankunft fängt es an in Strömen zu Regnen. Glück gehabt!

Stamser Alm
Die Stamser Alm (links) mit der Kirche „Maria Heimsuchung“

Begegnung der etwas anderen Art

Nicht ganz so viel Glück haben die beiden Wanderer, die etwa eine Stunde nach uns auf die Hütte kamen. Klitschnass kommen sie in die Gaststube. Es ist ein Pärchen aus Dresden, etwa in unserem Alter, die auch den L1 gehen. Aber die beiden gehen den gesamten Weg bis Brescia. Respekt. Einen Monat haben sie sich vorgenommen. Was sie uns dann während der nächsten Stunden erzählen, lässt uns umso erstaunter daneben sitzen.

Warum die Wettervorhersage wertvoll ist

Da wäre zum Einen mal die Story mit dem Gewitter. Die beiden sind an diesem Tag noch früher los gegangen als wir und waren dementsprechend früh schon an der Stamser Alm (auch früher als wir). Da haben sie sich gedacht: ach, wir sind so früh, da gehen wir mal weiter. Das war dann keine so gute Idee, denn die beiden kamen mitten in das Gewitter. Also das ganze Spektakel mit Blitzen um sie herum. Am Berg ist das nämlich gar nicht lustig im Gewitter sondern lebensgefährlich. Die beiden hatten dann nach ihren eigenen Angaben Angst um ihr Leben und sind deswegen umgekehrt.

Zu allem Übel kam noch hinzu, dass er, ich kürze ihn mal E. ab, seine Jacke in der Pension in Mieming vergessen hatte. Ach nein. Er hatte seine beiden Jacken dort vergessen. Das heißt E. war nur im Pullover im Gewitter und strömenden Regen unterwegs. Das Problem löst E. dann in den darauf folgenden Stunden, indem er zig mal mit der Pension telefoniert, mit den Hüttenwirten diskutiert und tatsächlich am gleichen Tag noch eine Person findet, die hoch zur Stamser Alm kommt und seine Jacken vom Tal mitnimmt. Glück muss man haben…

Warum Blasenpflaster auf der Packliste stehen

Na gut. Alles ziemlich wirr. Aber es wird noch besser. E.’s Freundin, ich nenne sie mal S., hat ein anderes Problem. Nach drei Tagen wandern hat sie eine blutige Ferse. Und hantiert mit Jod rum. Nun gut, ich habe meinen sozialen Tag und gebe ihr ein Blasenpflaster – von denen ich übrigens nur eins auf der gesamten Alpenüberquerung gebraucht habe. Und das noch nicht mal für eine Blase sondern zur Vorbeugung. Die beiden haben nämlich keine Blasenpflaster dabei. Ist ja auch nicht so wichtig bei einer einmonatigen Wanderung mal Blasenpflaster mitzunehmen *Ironie off*.

Warum Kartenmaterial essentiell ist

Wer sich jetzt denkt: Mmh, die sind ja so mittelmäßig vorbereitet, der irrt. Die beiden sind nämlich die am schlechtesten vorbereiteten Wanderer, denen ich seit langem begegnet bin! Kurz nach der Blasenpflaster-Intervention kommen wir nämlich zu der Diskussion, wo die beiden denn gewandert sind, als sie in das Gewitter kamen. Es stellt sich heraus: Das wissen sie nicht so genau, denn Wanderkarte haben sie nicht. GPS-Navigation haben sie auch nicht. Und auf welchem Wanderweg sie waren, wissen sie auch nicht. Das einzige was für beide „komisch“ war: da war gar nicht der eine Gipfel ausgeschildert, der auf der Route sein sollte, sondern ein ganz anderer. Ein paar Blicke auf meine Wanderkarte später stellen wir gemeinsam fest: sie sind den falschen Weg weiter gelaufen. Statt den eigentlich Weg zu nehmen, der hinter der Alm verläuft, sind die beiden in die entgegen gesetzte Richtung gegangen. Und wenn wir nicht mal auf die Karte geschaut hätten, wären sie da am nächsten Tag auch wieder lang gegangen.

Warum Steigeisen für eine Gletscherquerung angemessen sind

Das Beste zum Schluss: Auf ihrer Tour planen sie einen Gletscher zu überqueren. Aha. Interessant. Mmh, auch irgendwie komisch. Mit welcher Ausrüstung!? Ach, das geht schon ohne Steigeisen und Pickel und Seil, behaupten E. und S. Sie hoffen tatsächlich, dass es da einen Weg gibt auf dem Gletscher. Ah ja. Wir sagen nichts. Innerlich denke ich nur: Ja genau, da gibt’s schon einen geteerten Weg für euch zwei Herzchen auf dem Gletscher, das passt schon. Ist ja alles ausgeschildert auf so einem Gletscher *Ironie off*.

Warum eine gute Vorbereitung so wichtig ist

Kinder: So nicht!!! Das ist ein Hauptgrund, warum jedes Jahr eine Vielzahl von Menschen in den Alpen verunglückt: mangelhafte Vorbereitung. Unsere Begegnung hat mich an diese herrliche Doku vom Bayerischen Rundfunk erinnert:

Update vom 06. Oktober: Das Youtube-Video scheint es nicht mehr zu geben, aber der Bayerische Rundfunk hat seine Doku vom letzten Jahr einfach recycelt und diese ist jetzt inkl. Video hier zu finden.

Am besten ist der Typ, der zum ersten Mal in den Bergen unterwegs ist, und als erste Bergtour in seinem Leben eine Watzmann-Überschreitung plant (ca. ab 4:00 im Video). Oder wie es in einem der Kommentare unten drunter heißt: Das erste mal Laufen wollen und direkt mit einem Marathon starten… Noch viel besser später im Video: der Typ, der sein Klettersteigset an seinem eigenen Ledergürtel befestigt anstatt einem ordentlichen Klettergurt (ca. ab 28:30 im Video). Sachen gibt’s, die gibt’s gar ned…

Die Stamser Alm

Die Stamser Alm ist eine Alm mit Viehbetrieb und gehört zum Stift Stams. Direkt neben der Almhütte befindet sich die Kirche „Maria Heimsuchung“ und noch ein dazugehöriges Wohnhaus. Ein schönes Ensemble, von dem man einen tollen Blick auf der Oberinntal, das Mieminger Plateau und die Mieminger Kette hat. Bei gutem Wetter versteht sich.

INFO Stamser Alm

Allgemein: Stamser Alm, private Hütte, 1.873 m

Geöffnet: Juni bis September

Preise: Matratzenlager 10€ p.P., Frühstück 8€ p.P.

Noch ein Hinweis: Keine Duschen vorhanden.

Das Lager ist einfach der gut ausbaute Dachboden der Alm, auf dem einige Matratzen auf dem Boden liegen. Wir hatten ziemlich viel Platz dort. Dusche gibt es keine. Als Waschmöglichkeit dient das Waschbecken vor der Toilette im Flur der Alm. Nicht ganz optimal, aber geht schon. Wie schon angedeutet, gab es kein Abendessen auf der Alm. Die Hüttenwirte waren bis 20 Uhr abends unterwegs und bis dahin hatten wir uns schon ein paar Snacks reingezogen. Unsere neuen Bekanntschaft E. und S. hatten sich unterdessen selbst was auf dem Herd zubereitet, denn sie hatten einen Kochtopf und auch einige Essensrationen in ihrem Gepäck dabei (Prioritäten setzen…).

Als dann um kurz nach 8 der Hüttenwirt uns fragt, ob wir schon was gegessen hätten bzw. noch was wollten, lehnen wir das dankend ab. Abends kommen noch zwei Freundinnen der Hüttenwirte vorbei und es wird einiges an Alkohol ausgeschenkt. Da trinken auch wir einen selbstgemachten Zirbenschnaps mit. Der war richtig lecker. Am nächsten Morgen gaíbt es ein einfaches Frühstück mit Honig, Marmelade, frischer Butter und Milch von dem eigenen Almbetrieb. Auch sehr lecker! In unserem Hüttenranking nimmt diese Hütte einen Platz im Mittelfeld ein.

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Etappe 3

Etappe 5

Hier gibt’s die Etappenübersicht!

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